Wenn ich für einen Spammer gehalten werde…

Jeder Mensch, der schon einmal einen (altmodischen, mit der Sackpost versendeten) Brief geschrieben hat, weiß, dass man jeden beliebigen Absender auf den Brief schreiben könnte und dass es von Seiten der Post und des gesamten Trasportwesens dieses Briefes keinerlei Prüfung gibt, ob diese Angabe stimmt.

Von daher sollte auch jedem Menschen klar sein, dass diese Angabe auf einem Brief keinerlei Aussagekraft hat, wenn es um kriminell motivierte Briefe geht, deren Autoren das Anlegen von Handschellen um die Handgelenke vermeiden wollen. Niemand würde ernsthaft erwarten, dass ein Drohbrief oder ein Brief voller Beschimpfungen und Beleidigungen mit echtem Absender kommt. Und gesetzt dem Fall, er käme überhaupt mit einem Absender: Beinahe kein Mensch mit normaler Lebenserfahrung käme auf die Idee, diesem Absender zu antworten. Und beinahe jedem Menschen wäre völlig klar, dass man kein »Hacker« sein muss, um einen falschen Absender auf einen Briefumschlag zu schreiben.

Leider: Nichts von alledem gilt äquivalent für Spam. Obwohl man wahrlich kein »Hacker« sein muss, um einen falschen Absender zu einer E-Mail anzugeben – jedes aufgeweckte Kind ist dazu imstande. Es ist so einfach, wie die Angabe einer ausgedachten Absenderadresse auf einem Briefumschlag. Beinahe jede Spam wird mit gefälschtem Absender versendet. Es ist deshalb nicht möglich, einem Spammer zu antworten, indem man auf »Antworten« klickt.

Trotzdem antworten Menschen immer wieder auf eine Spam; meist (für mich nachvollziehbar) in sehr gereiztem Tonfall und zuweilen auch unter Androhung juristischer Konsequenzen. Diese Antworten landen nicht bei Spammern, sondern im günstigsten Fall im Nichts, im wesentlich häufigeren ungünstigen Fall bei einem völlig unbeteiligten Dritten. Zuweilen, wenn asoziale und kriminelle Spammer meine Mailadresse als Absender eintragen, bin ich dieser unbeteiligte Dritte, und dann habe ich mindestens mehrere hundert Mails der Genervten und Entrüsteten in meinem Posteingang, von denen ich nur noch eine kleine Auswahl so beantworten kann, wie ich das für angemessen halte (also freundlich, sachlich und informativ). Tatsächlich ist es dann für mich beinahe unmöglich, diese Spamflut auch nur überfliegend zu lesen. Ja, mein Mailpostfach kann durch diese Art »Sekundärspam« für mehrere Tage so unbenutzbar werden, dass ich dazu übergehe, kurzerhand die Mailadresse abzuschalten. Bei einer vorwiegend privat genutzten Mailadresse kann ich mir das erfreulicherweise erlauben. Vielen anderen Menschen und vor allem Unternehmen steht diese Option gar nicht offen.

Zum Glück haben die Polizeien inzwischen dazugelernt und ermitteln nicht mehr gegen den Nutzer der Absenderadresse, wenn eine Strafanzeige wegen der kriminellen Belästigung erstatt wird – jedenfalls nicht, ohne vorher einmal in die Header der Mail geschaut zu haben.

Das ist lobenswert. Es ist wenigstens ein kleiner Fortschritt. (Und der hat auch viel zu lange gedauert.)

Ich denke oft, dass wir im Jahre 2016 leben, dass das Internet nicht mehr wirklich neu ist und auch keine Spielwiese der Geeks mehr, sondern Bestandteil des Alltags für die meisten Menschen und dass deshalb eigentlich jeder wissen müsste, welche Folgen es hat, wenn man einem Spammer antwortet. Aber ich erlebe es immer wieder einmal, dass auf Spam geantwortet wird. In meinem Postfach. In Fluten. In Mails, die teilweise durchaus eine persönliche Antwort erfordern, ohne dass ich noch dazu imstande wäre, diese Antworten zu schreiben.

Unterdessen labern von keinerlei vertiefter Kenntnis beleckte Journalisten und Politiker in ihrer enthirnend-populistischen Politikspam immer wieder einmal vom »Cybercrime«. Mit absurden Forderungen nach mehr präventiver Überwachung und Abschaffung von Bürgerrechten, aber ohne die Spur einer Aufklärung der Menschen, die von solcher Kriminalität betroffen werden können.

Es ist deprimierend.

Wenn die Menschen wenigstens damit aufhören könnten, solche Politikspammer zu wählen oder ihre Zeitungen zu kaufen oder ihre Zeitungswebsites zu lesen! Aber nein: Diese »Spam« holen sie sich freiwillig.

Um sich anschließend im Internet wie die Dummköpfe zu verhalten.

Zum Schaden aller anderen Menschen.

Es ist deprimierend.

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