Eines hat sich nach über zwei Monaten Neun-Euro-Ticket für die Benutzung des Nahverkehrs als einigermaßen sicher herausgestellt, auch wenn es leider viel zu selten so klar benannt wird: Wenn sich die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland nicht mit Bussen, Bahnen und Nahverkehrszügen bewegen, dann liegt das in sehr vielen Fällen…
- …nicht an der viel beklagten Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit,
- …nicht an der schlechten Abdeckung weiter Bereiche des Landes durch Nahverkehrsmittel,
- …nicht am mangelnden Komfort, und
- …auch nicht daran, dass die Bahnhöfe nicht schön aussehen, …
…sondern in erster Linie am viel zu hohen Preis für diese Verkehrsmittel und oft wohl auch an absurden, nicht durchschaubaren Tarifstrukturen von ÖPNV-Betreibern. Wenn dieser viel zu hohe Preis wegfällt und man nicht lange danach suchen muss, welche Fahrtkosten entstehen, falls man sich einmal durch die Gebiete verschiedener Nahverkehrsbetreiber bewegen muss oder möchte, werden alle diese von Journalisten und Politikern gern aufgezählten Gründe eher nebensächlich; immer noch ärgerlich, aber nichts, was von der Fahrt abhält.
Und dementsprechend voll waren die Straßenbahnen, die Busse und die Züge.
Nein, ich bin davon nicht überrascht. Wer manchmal mit »normalen« erwerbstätigen Menschen spricht, bei denen das Geld nicht einfach in den jeweils erforderlichen Mengen aus der Steckdose quillt, hätte das schon vorher gewusst. Mitglieder der Classe politique, die es schließlich zum Abgeordneten bringen, scheinen solche Gespräche nur noch sehr selten oder gar nicht zu haben.
So, wie es im Moment aussieht, wird die politische Lektion aus dieser recht teuer erworbenen Einsicht darin bestehen, dass man den alten Zustand mit viel zu hohen Preisen und teilweise undurchschaubar-überkomplizierten Tarifstrukturen wiederherstellt.
Unter anderem deswegen, weil ein Typ wie Christian Lindner (FDP), der als Abgeordneter des Deutschen Bundestages eine Bahncard 100 kostenlos bekommt, obwohl er wohl lieber Porsche fährt, in seinem grenzenlosen und fanatischen Armenhass anderen Menschen nicht das 9-Euro-Ticket gönnt und dabei die Stirn hat, seine Haltung ausgerechnet damit zu begründen, dass die angebliche mit dem 9-Euro-Ticket verbundene »Gratismentalität« ein Problem mit der »Fairness« habe.
Die Frage, wie fair eigentlich Tankrabatte und Autokaufprämien gegenüber den Menschen sind, die aus dem einen oder anderen Grund kein Auto haben oder haben wollen, hat leider nicht den Weg in sein mutmaßlich kernkorruptes Bewusstsein gefunden – genau so wenig wie die Frage, ob es nicht mal »fair« wäre, den Nahverkehr auch außerhalb der Städte so viel verfügbarer zu machen, dass man auch dort ohne Auto leben kann.
Solche Gestalten wie Christian Lindner (FDP) sind übrigens auch ein Problem. Leider wird es nicht von Christian Lindner (FDP) beseitigt.
Vor allem viel zu hoher Preis für einen masochistisches Leiden durch eine sadistische Bahn und deren Personal. Für 9 Euro dürfen sich das nun auch Unterprivilegierte antun.
> seine Haltung ausgerechnet damit zu begründen, dass die angebliche mit dem 9-Euro-Ticket verbundene »Gratismentalität« ein Problem mit der »Fairness« habe.
Dieser Lindner fährt schon immer diese Taktik, ganz schnell auf die beleidigende Schiene zu wechseln. Nicht zuletzt wird er auch ganz schnell persönlich, ad personam und / oder ad hominem, wenn er in einer Diskussion den kürzeren zieht.
Dass solch ein Mensch überhaupt gewählt wird, zeigt sehr schön die Mechanismen der Politik und der Parteien auf – anständige Menschen haben da keine Chancen, nicht auf Dauer.
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