Der die Arbeit tut

Englischsprachiges Plakat aus dem 19. Jahrhundert: SklavenverkaufDen Rücken mit immer schwererer Last beladen, die Beine versinken immer tiefer im braunsten Schlamm, wird er von Hartz Fear, der staatlich geforderten und geförderten nackten Existenzangstpeitsche in Deutschland getrieben: der, der die Arbeit tut, die grobe Arbeit im Sinne von Kraft mal Weg. Und während er für wenig Geld und noch weniger persönliche Aussicht schwitzt und seiner sicheren Altersarmut unter der Willkürfuchtel bundesdeutscher Behörden entgegentaumelt, darf er sich aus den Mündern der Journalist:innen aller Blätter und Sender und aus den Sprechblasen der Politiker:innen aller Parteien und parteinahen Stiftungen anhören, dass er Abschaum ist, der letzte stinkende Dreck, ein ungebildetet Kerl, der sich erst einmal »richtig bilden« sollte, statt sich allfeierabendlich erschöpft ein bisschen Ablenkung von seinem entgangenen Leben zu holen; sich richtig bilden, bevor er sich getraut, auch nur noch ein Wort zu sprechen, ein Wort aus seiner täglichen Wahrheit, die er gleißendklar unter der sengenden Sonne erlebt, wieder und wieder und wieder erlebt. Es ist kein Wunder, wenn es Verachtete und Beschimpfte zu »Alternativen« zieht, die erfolgreich vorgeben, sie weniger zu verachten, sondern es ist nur logisch – eher schon erstaunt es, dass es nicht täglich zu größeren offenen Ausbrüchen einer groben Gewalt kommt, die nur ein Spiegelbild derjenigen Gewalt wäre, die feiner, subtiler und verdeckter jeden verdammten Tag gegen diejenigen ausgeübt wird, die diese Zivilisation mit ihrer Arbeit erst ermöglichen, während die Nutznießer dieser Arbeit sich mit verschränkten Fingern als Leistungsträger inszenieren.

Immerhin wählt er nicht mehr so oft die SPD, er, der die Arbeit tut. Sage also niemand, dass er nicht wissend und lernfähig ist, der Entrechtete und Geknechtete, der immer noch die Arbeit tut.

So lange es kein breites Bündnis zum Schutz von Menschen gibt, das kompromisslos eine artgerechte und halbwegs würdevolle Behandlung und Unterbringung von Menschen einfordert, so lange könnt ihr die viel abstrakteren Umwelt- und Klimaprobleme vergessen. Die, denen es gleichgültig ist, sagen keineswegs »Nach uns die Sintflut«, nein, sie wurden längst schon von der Sintflut hinfortgerissen und treiben im persönlichen Nichts. Es ist die »Gleichgültigkeit« eines Ertrinkenden, der um sein Leben ringt, wenn man ihm von der Geometrie erzählen will.

Und das vielleicht Schlimmste daran: Diese scheinbar Gleichgültigen haben in ihrer scheinbaren Gleichgültigkeit recht, denn die Menschheit hat in ihrer Dummheit längst beschlossen, alles Brennbare auch anzuzünden, es ist ja so ein gutes Geschäft für die Krämer und macht so viel Wachstum für den wachsenden Krebs des Geldhandels. Dass es für ihn, der die Arbeit tut, Wichtigeres gibt, erstaunt einen Menschen von Verstand genau so wenig wie die Tatsache, dass er sich weigert, auch diese eine Rechnung noch mit seinem dahinwelkenden, einmaligen Leben zu bezahlen.

Quelle des Plakates mit dem Sklavenausverkauf: Wikimedia Commons, Lizenz: Public Domain, in diese Freiheit veröffentlicht vom Florida Memory Project. Danke!

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