Während man auf der einen Seite am Rad dreht…

Den folgenden Text habe ich ursprünglich im Forum von Heise Online als Kommentar zum Artikel Versagen die alternativen Medien zu Zeiten von Corona verfasst. Da ich es immer wieder erlebt habe, dass solche Kommentare bei Heise Online einfach gelöscht werden, hier noch einmal eine dezentrale Sicherheitskopie gegen das Vergessen im Internet – einschließlich meines Grammatikfehlers:

Während man auf der einen Seite am Rad dreht…

…dreht man auf der anderen Seite ebenfalls am Rad und macht ausgesprochen merkwürdige (also würdig, dass man sie sich merkt) Einschränkungen der so genannten »Freiheitsrechte«, die weit jenseits jeder Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer Seuchenbekämpfung liegen.

Nachdem das BVerfG festgestellt hat, was eigentlich jeder schon mindestens geahnt haben sollte, nämlich, dass man ein Grundrecht nicht durch eine Allgemeinverfügung aufheben darf, sprechen die Verwaltungsgerichte Recht, dass sich beim Lesen die Fußnägel hochrollen.

Zum Beispiel gestern die zehnte Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover:

Die Corona-Verordnung enthalte zwar in § 2 durch die Beschränkung von Zusammenkünften von Personen faktisch ein Versammlungsverbot. Ein solch generelles Versammlungsverbot, das keine Ausnahmen zulasse, sei aber nicht mit der in Art. 8 GG gewährleisteten Versammlungsfreiheit vereinbar. Bei kleinen Versammlungen bestehe die Möglichkeit, den Gesundheitsschutz durch Beschränkungen der Versammlung zu gewährleisten. So habe die Stadt Hildesheim die Möglichkeit, das Tragen eines Mundschutzes anzuordnen, die Teilnehmerzahl zu begrenzen, Abstandsregelungen zu treffen, dem Versammlungsleiter die Erfassung von Namen und Anschrift der Teilnehmer aufzugeben und ggf. das Versammlungsgelände zu umzäunen

So übt man jetzt in der Bundesrepublik Deutschland – formerly known as »Der freie Westen« – sein friedliches Versammlungs- und Demonstrationsrecht aus: In ordnungspolizeilich willkürlich limitierbarer Anzahl, maskiert, mit staatlich zugreifbar hinterlegtem Namen und hinterlegter Anschrift und hinter Gittern.

Aber hey, atmet auf, Leute! Die Autohäuser haben wieder geöffnet!

Völlig unabhängig von Leuten, die »alternative Medien« als contentindustrielles Geschäftsmodell entdeckt und entwickelt haben und sicherlich mit nennenswertem Reibach jenen immer größer werdenden Teil der Bevölkerung bedienen, die den Bias des Agentur- und Parteienstaatsjournalismus nicht mehr ertragen können [sic!], halte ich es für existenziell wichtig, darauf zu achten, dass die gegenwärtigen Einschränkungen von Grund- und Menschenrechten zur Abwendung eines Massensterbens durch eine hochinfektiöse Seuche wieder aufgehoben werden, wenn der Anlass für ihre Einführung verschwunden ist. Und zwar gerade auf dem Hintergrund der jüngeren deutschen Geschichte.

Denn dass eine solche Rücknahme nicht mehr nötiger Rechtseinschränkungen für alle Menschen in der BRD auch nur ein einziges Mal geschehen wäre, habe ich im Verlauf meines lustigen Lebens in der BRD noch nicht ein einziges Mal erlebt. Und zwar begonnen mit der Raub- und Mordserie der Baader-Meinhof-Bande. Und immer wurde jemand, der für Grund- und Freiheitsrechte eintrat, politisch und staatsfromm-journalistisch als ein Terrorist, Verschwörungstheoretiker, Mörder, Kinderf*ckergehilfe, Nazifreund oder verantwortungsloser Befürworter eines Massensterbens abgestempelt – mal eher subtil, mal offen und verachtungsvoll.

Dabei ist insbesondere auf Neusprech zu achten, der in offenbar manipulativer Absicht über den journalistisch-politischen Komplex (meine wohlklingende Worthülse, noch undefiniert und daher inhaltsleer) vor alle Augen und Ohren gebracht wird. Mal wird die Sammlung von Überwachungsdaten als »Datenspende« bezeichnet, wobei ich ganz gern mal eine Datenspende der BRD sehen würde, etwa die Freigabe der für hundertzwanzig Jahre als Staatsgeheimnis weggeschlossenen NSU-Akten; mal wird ein gegen Infektion nahezu wirkungsloser Mund-Nasen-Wärmer als »Alltagsmaske« bezeichnet, nicht, damit wir ihn des Sonntags ablegen, sondern, damit wir so etwas als neuen »Alltag« begreifen. Und jeder, der öffentlich etwas dagegen sagt, verbreitet »Fake News«, als sei das nicht seit dem 24. Juni 1952 das als Pressefreiheit begriffene Geschäftsmodell der Bildzeitung, sondern eine Gefahr.

Disclaimer: Ich persönlich halte die Corona-Pandemie für gefährlich und habe nicht einmal etwas gegen eine Gefahrenabwehr, die sich hinterher als übertrieben herausstellen könnte. Aber der scheibchenweise Umbau der »marktkonformen Demokratie« (A. Merkel) in einen Wirtschaftsfaschismus ist die ältere und länger wirksame Gefahr. Corona wird hoffentlich in zwei, drei Jahren gegessen sein. Der Seeheimer Kreis und die Bertelsmann-Stiftung sind es nicht.

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