Checkliste: Bevor ich ein Produkt kaufe

Clipart: SparschweinKrämer, Werber und Tinnefverkäufer geben sich alle Mühe, dafür zu sorgen, dass sich ihre »Zielgruppe« niemals vor einem Kauf gedanklich mit den folgenden Fragen beschäftigt. Diese Fragen helfen nämlich, unnötige oder unnötig teure Käufe zu vermeiden, aber der Krämer und der Tinnefverkäufer sind bereits auf der Gewinnerseite, wenn gekauft wurde, egal, wie es dem Käufer damit ergeht – und damit dies oft genug geschieht, bezahlten sie Werber für die gezielte und allmediale Irreführung möglichst vieler Menschen. Diese gezielte Irreführung ist keineswegs immer als Werbung gekennzeichnet, sondern oft genug auch im redaktionellen Teil von Websites, Zeitungen, TV-Sendungen, Podcasts, Videos und dergleichen enthalten, obwohl das eigentlich illegal ist.

Eine auch nur kurze Beschäftigung mit diesen Fragen vor einem Kauf kann einem Menschen leicht über hundert Euro im Monat ersparen, die dann für andere, hoffentlich bessere Dinge als sinnlose Käufe zur Verfügung stehen.

Einen intelligenten Menschen erkennt man übrigens daran, dass er mit seinem Verstand denkt und nicht mit seiner Psyche. 😉

Ich formuliere die Fragen der griffigen Formulierung halber in der »Ich«-Form.

  • Brauche ich das Produkt?
  • Brauche ich das Produkt wirklich?
    • Wie sehen die Anwendungsfälle für das Produkt in meinem Alltag aus? Sind diese Anwendungsfälle realistisch, oder handelt es sich um Vorstellungen, die mir von Werbern und schleichwerbenden Journalisten gemacht wurden?
    • Hat es gar ein Werber geschafft, mich glauben zu lassen, dass durch das Produkt ein Problem gelöst würde, das ich bis jetzt noch niemals in meinem Leben empfunden habe, handelt es sich also um eine Lösung für ein Scheinproblem?
    • Habe ich jetzt schon etwas, was dem Produkt ähnlich ist?
    • Handelt es sich beim Produkt um eine Mode und besitze ich schon sehr viel, was ihm ähnlich und völlig benutzbar ist, aber eben nicht mehr modern?
    • Möchte ich das Produkt vor allem zu meiner Unterhaltung nutzen? Warum unterhalten mich die anderen Unterhaltungsprodukte, die ich mir zugelegt habe, dann nicht mehr in gewünschtem Maße?
    • Glaube ich, das Produkt zu benötigen, weil ich einen sozialen Druck durch meine Mitmenschen verspüre, die mich für rückständig, altmodisch und dumm halten, weil ich das Produkt nicht habe oder nicht haben will und mit dem so eingesparten Geld lieber andere Ziele verfolge, die mir wichtiger sind?
  • Werde ich das Produkt häufiger benutzen?
    • Wenn nein: Kann ich es für meine beabsichtigten Nutzungen von jemandem ausleihen?
    • Wenn nicht: Kann ich es gebraucht kaufen oder mieten?
    • Wenn nicht: Kann ich es nach der Nutzung verkaufen oder jemandem schenken, der es braucht oder gebrauchen kann?
    • Beim Verkauf: Welcher Wertverlust ist damit verbunden?
  • Handelt es sich beim Produkt um einen »fabrikneuen Müll« mit »eingebautem Ablauf« seiner Nutzungszeit?
    • Bei Computern und vergleichbaren Geräten (zurzeit meist mit dem Attribut »smart« verkauft): Bestimme ich selbst über die darauf laufende Software einschließlich Firmware und Grundsystem, oder tut dies jemand anders?
    • Sind Benutzergängelungen und Technikverhinderungen darin enthalten, zum Beispiel DRM-Funktionen? Erfordern diese den Zugriff auf Internet-Resourcen, die unter der Verfügungsgewalt eines Dritten stehen, der damit das Produkt jederzeit unbenutzbar machen kann?
    • Kann ein Dritter Einfluss darauf nehmen, was ich mit dem Produkt machen kann, nachdem ich es gekauft und bezahlt habe?
    • Bei allen elektrischen und elektronischen Geräten: Kann man den Akku als wesentliches Verschleißteil mit geringem Aufwand wechseln und durch einen neuen Akku ersetzen?
  • Wie lange hält das Produkt?
    • Ist diese Zeit lang genug?
    • Ist diese Zeit zu kurz? Oder die gleiche Frage anders gestellt: Werden absehbare Kosten für einen weiteren Kauf fällig (wie zum Beispiel beim Auto, das durch ein neues Auto ersetzt werden muss, wenn das alte Auto nicht mehr nutzbar, aber das ganze Leben auf die Verfügbarkeit eines Autos eingestellt ist)?
    • Ist diese Zeit unbekannt? Nicht einmal seriös abschätzbar? Warum?
    • Was geschieht mit dem Produkt, wenn es nicht mehr nutzbar ist? Gibt es ein sinnvolles Recycling? Handelt es sich um giftigen Sondermüll, der dann als »Entwicklungshilfe« nach Afrika oder Indien verschifft wird, damit andere die Probleme mit diesem Müll und die Gesundheitsschäden und Todesfälle durch diesen Müll haben?
  • Handelt es sich um ein Produkt mit Überwachungsfunktionen?
    • Ist es möglich, das Produkt ohne Internet zu betreiben?
    • Wenn nein: Ist es möglich, als Nutzer eine genaue und zuverlässige Übersicht über die gesammelten Daten und ihre Verwendung zu bekommen?
    • Wenn ja: Wie wahrscheinlich ist es, dass sich der Umfang der gesammelten Daten und ihrer Verwendung in naher oder ferner Zukunft durch eine schnelle Änderung von Nutzungsbedingungen oder AGB ändern könnte, wenn der Anbieter ein neues Geschäftsfeld sieht oder sich diversifizieren möchte?
    • Generell: Wie sieht es mit Sicherheit (Software-Updates) und Datenschutz aus? Können Verbrecher (wie zum Beispiel Einbrecherbanden), persönliche Feinde oder perverse Stalker sich damit leicht einen Einblick in mein Leben verschaffen, den ich unerträglich finde?
  • Kann ich das Produkt mit geringem Aufwand reparieren?
    • Kann ich einfache Reparaturen wie etwa das Ersetzen von Verschleißteilen selbst durchführen, oder bin ich dafür auf das Angebot, die Verfügbarkeit und die Preisgestaltung von Vertragswerkstätten angewiesen?
    • Verliere ich die Gewährleistung oder andere geldwerte Vorteile, wenn ich die Reparatur selbst durchführe oder von einem preiswerten Anbieter durchführen lasse?
    • Ist die Komplexität des Produktes so hoch, dass ich bei einer Reperatur »übern Tisch gezogen« werden kann, weil ich den wirklichen Aufwand nicht mehr selbst verstehe?
  • Was kostet das Produkt wirklich?
    • Sind Folgekosten mit seiner Nutzbarkeit verbunden, wie zum Beispiel die Kosten für Internetzugänge und allgemeine Verträge, und wie werden sich diese Folgekosten in absehbarer Zeit entwickeln?
    • Wie viele Stunden meiner begrenzten Lebenszeit muss ich binnen eines Jahres dafür investieren, dass das Produkt nutzbar bleibt, etwa durch Updates, Inanspruchnahme des Supports, Behebung technischer Probleme, Suche nach Lösungen für Probleme, die ich ohne das Produkt gar nicht hätte? Wie viel Geld ist diese Lebenszeit pro Stunde wert? (Meiner Meinung nach mindestens der gesetzliche Mindestlohn, aber da es sich um begrenzte, knappe Freizeit handelt, kann man den Wert durchaus höher ansetzen.)
    • Wie viel Geld muss ich jeden Monat während der Benutzung eines Produktes mit begrenzter Haltbarkeit dafür zurücklegen, dass ich mir am Ende der Nutzungsdauer ein neues kaufen kann, wenn ich es weiterhin nutzen will? (Ein Kostenfaktor, der von Autofahrern regelmäßig übersehen wird.)
    • Wie viel Geld muss für Reparaturen und das Ersetzen von Verschleißteilen pro Monat ausgegeben werden?
    • Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich durch die Nutzung des Produktes insofern abhängig von diesem Produkt werde, als dass ich verlerne, mir ohne das Produkt zu behelfen oder gar in einen selbsterhaltenen psychischen Prozess gerate, ähnlich wie bei einem nicht stofflich abhängig machenden Rauschmittel, das irgendwann wegen der Gewohnheit und nicht mehr wegen des Rausches konsumiert wird? Welche Kosten wird diese Abhängigkeit in den nächsten zwanzig Jahren verursachen, einschließlich des Wertes meiner beschränkten Lebenszeit?
  • Ist mir das Produkt seinen realistisch abgeschätzten wirklichen Preis wert?
  • Nach wie langer Zeit wird mir das Produkt keine Freude mehr bereiten? (Werber sprechen von der »post buying frustration« und gehen davon aus, dass man sie nutzen muss, Menschen zu einem neuen Kauf zu bewegen.)
  • Will ich das Produkt nach allen diesen Gedanken immer noch haben? Glaube ich immer noch, dass ich es benötige?

Der Werber will übrigens auch, dass ich mir eine Frage stelle, und nur diese eine Frage: »Wie fühle ich mich?«. Dann kann er mir nämlich etwas verkaufen, von dem er behauptet, dass ich mich besser dadurch fühle. Intellektuelle Tätigkeit ist bei diesem legalen Beschiss kontraproduktiv.

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2 Antworten zu Checkliste: Bevor ich ein Produkt kaufe

  1. Bio sagt:

    Ersetze »sparen« mit »einsparen« bzw. »gespart« mit »eingespart«, dann wird es richtiger 😉

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