Warum sehe ich Handelsblatt Online nicht?

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Sie haben vorsätzlich und sicherlich aus gutem Grund mit einer Browsereinstellung oder einem geeigneten Browser-Addon dafür gesorgt, dass Websitebetreiber keinen Programmcode innerhalb ihres Webbrowsers ausführen können. Zum Beispiel, weil sie wissen oder weil ihnen jemand, der kein Journalist ist und deshalb etwas von den Dingen versteht, von denen er redet, deutlich erklärt hat, dass seit Jahren bei nahezu jedem über den Webbrowser vorgetragenen Angriff auf Computer Javascript eine zentrale Rolle gespielt hat.

Damit sind wir gar nicht einverstanden.

Deshalb lügen wir sie einfach an. (Wir sind Journalisten. Wir verachten sie und ihre Intelligenz. Ihre Computersicherheit ist uns egal. Die Trojaner, die sie sich möglicherweise wegen unserer Lügen einfangen, sind ihr Problem, nicht unseres.)

Wir benötigen zwar kein Javascript für die Darstellung unserer Inhalte, aber wir behaupten einfach, dass sie unsere Inhalte nur sehen können, wenn sie Javascript zulassen. In Wirklichkeit ist das Trickserei. Sie können sich leicht davon überzeugen, indem sie einen Textbrowser verwenden, auf dem die Abdeckung durch eine undurchsichtige Fläche, die dann mit Javascript wieder entfernt wird, naturgemäß gar nicht funktionieren kann – hier ein Screenshot mit emacs-w3m:

Screenshot Emacs mit der vom Handelsblatt blockierten Meldung im Fenster

Oder, wenn sie keinen Webbrowser für den Textmodus installiert haben sollten (was heute bei der Mehrheit der Computernutzer zutreffen dürfte), können sie sich immer noch mit einer ganz einfachen Methode davon überzeugen, dass wir lügen und unsere Inhalte ohne Javascript lesen. Klicken sie in den Anzeigebereich des Browserfensters (aber nicht auf einen Link), drücken sie anschließend Strg+A, um alles zu markieren, drücken sie dann Strg+C, um diese Auswahl in die Zwischenablage zu kopieren, machen sie ein Editorfenster oder die Office-Textverarbeitung ihrer Wahl auf und fügen sie dort die angeblich ohne Javascript nicht darstellbare Seite mit Strg+V ein. Das Office-Programm hat dabei den Vorteil, dass sogar Bilder und Links und vieles von unserem Layout übernommen werden. Das Ergebnis sieht zum Beispiel in LibreOffice so aus:

Screenshot LibreOffice Writer 5.0 mit der vom Handelsblatt blockierten Meldung im vollen Layout im Fenster

Wenn wir ihnen also etwas verklausuliert sagen, dass sie keine Inhalte sehen können, weil für die Darstellung unserer Inhalte Javascript benötigt wird, ist das eine Lüge, also eine von uns vorsätzlich ausgesprochene Unwahrheit, mit der wir ihre Intelligenz offen verachten. Alle unsere Inhalte wurden aus dem Web übertragen und liegen in ansprechender Formatierung in ihrem Webbrowser vor, wenn sie diese überlagerte Lügenmeldung sehen. Sie werden mit einer billigen HTML-Trickserei vorsätzlich von uns vor ihnen versteckt, die beim Laden der Seite mit einer Zeile Javascript entfernt wird. Wenn wir die Trickserei wegließen (wie das jeder normale Websitebetreiber macht), gäbe es das von uns postulierte Problem nicht.

Die Behauptung, dass Javascript erforderlich wäre, um die Inhalte darzustellen, ist etwa so »ehrlich« und »seriös« wie das Reden eines Hütchenspielers auf der Suche nach Opfern. Dieser kann ja auch nicht die Wahrheit sagen, denn es ginge gegen sein Geschäftsmodell, wenn er »Ich betrüge sie mit einem kleinen Taschenspielertrick und sie haben keine Chance« statt »Bei mir können sie viel Geld gewinnen« sagte.

Warum wir in Wirklichkeit so heiß darauf sind, Code in ihrem Webbrowser ausführen zu können, dass wir sie sogar dafür belügen? Das geht sie einen Scheißdreck an. Wir lügen sie einfach an, um sie mit unserer Lüge im Idealfall dazu zu nötigen, die Sicherheit ihrer von ihnen selbst vorgenommenen Browsereinstellungen zu lockern. Dass wir damit einen Beitrag zum Erfolg der Organisierten Internetkriminalität leisten, ist uns egal. Schließlich tragen sie ja den Schaden davon.

Bitte bleiben sie uns gewogen, obwohl wir sie verachten.

Bitte lesen sie uns weiter, obwohl wir sie belügen.

Bitte verlinken sie uns überall und empfehlen uns damit weiter, obwohl wir eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Computersicherheit unserer Leser sind.

Und kommen sie niemals auf die Idee, uns als »Lügenpresse« zu bezeichnen. Das ist pfui und Nazi.

Ihre Qualitätsjournalisten vom Handelsblatt

Natürlich sind die Worte, die ich hier den Handelsblatt-Machern in den Mund gelegt habe, satirisch. Die drei Screenshots dienen allein der Dokumentation und können von jedem Menschen anhand der gegebenen Informationen reproduziert werden. Wer sich von meiner Satire auf dem Schlips getreten fühlt, sollte besser Fliege tragen.

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Fikten, Fikten, Fikten…

An mir ist eben gerade der Vorschlag vorbeigescrollt, dass man unwahre »Fakten« einfach als »Fikten« bezeichnen sollte, denn sie sind ja nicht faktisch, sondern fiktiv. Zudem klingt dieses Wort deutlich nach ficken und spiegelt damit den Hirnfick wider, der ja die propagandamächtige Absicht hinter den behaupteten, angeblichen »Fakten« ist.

Ich muss zugeben, dass mir dieses Wort richtig gut gefällt. Es hat eigentlich nur einen Nachteil: Für jemanden, der es zum ersten Male hört, ist es nicht selbsterklärend.

Wenn ich von einer »Fiktenpresse« spreche statt von einer »Lügenpresse«, kann mir niemand nur wegen meiner Wortwahl vorwerfen, dass ich ein dummer, pöser Scheißnazi bin. Und der ganz normale Hirnfick von Mitmensch Scheißjournalist – zum Beispiel die Identifikation von Menschen mit geschlossenem rechtsradikalem Weltbild anhand einer für deutsch Sprechende sehr naheliegenden Wortneubildung angesichts eines auffällig manipulativen Journalismus – ist gleich mitabgefrühstückt.

Statt »postfaktisch« – was sowieso ein sehr unhandliches und kopfgeboren schmeckendes Wort ist – wird es dann »fiktisch«. Auch dieses Adjektiv ist wunderbar, klingt es doch bei nachlässiger, leicht rotziger Intonation schon wie eine Aufforderung, es sich einfach selbst zu besorgen. Damit ist die einzig passende Erwiderung auf den intelligenzverachtenden Versuch angedeutelt, ohne direkt ausgesprochen zu sein.

Es ist das Jahr der Bundestagswahl. Eine mit Sicherheit sehr erfolgreich aus dieser Wahl hervorgehende Partei wird die AfD sein. (Nein, das gefällt mir nicht. Aber das ändert nichts daran. Und das restliche zur Wahl stehende Angebot mit ernsthaften Aussichten in den Deutschen Bundestag einzuziehen, gefällt mir genau so wenig.) Eine mit Sicherheit sehr häufig zu beobachtende propagandistische Strategie der etablierten Parteien wird die Zueigenmachung von AfD-Forderungen sein. Gerade die gegenwärtige Mitregierungspartei CSU ist auf diesem Weg schon bemerkelnswert weit fortgeschritten, ohne dass das zu dem offenen Eklat geführt hätte, der angesichts eines solchen Vorgehens angemessen wäre. Vor uns liegen noch viele Fikten. Einige auf Plakaten. Etliche im Fernsehen, dessen vorgeblich politische Talkshows einer alphabetisierten Zivilisation längst unwürdig geworden sind. Viele in journalistischen Produkten. Alle mit dem gleichen, verachtenswerten Zweck, den Menschen ins Gehirn zu ficken.

Lasst uns einfach damit anfangen, die Fikten als Fikten zu bezeichnen, statt darauf reinzufallen!

Hier ist eine kleine Hilfe. Das folgende Bild ist CC-Zero-lizenziert, ich verzichte also auf jegliche Rechte, damit man und frud es auch in der Bimbesrepublik Abmahnistan ohne juristische Gefahren überall benutzen kann. Einfach zugreifen! (Kennt ihr ja und habt ihr schon tausendfach gemacht: Kontextmenü des Browsers über dem Bild, speichern mit »Grafik speichern unter« und anschließend überall im Web verwenden!)

Und natürlich bezieht sich der Verzicht auf jegliche Rechte auch auf den Text, der einfach verwendet werden darf, falls jemanden mein typografisches Geschick zu klein erscheint oder falls eine Grafik unangemessen ist. Für das Bild hier zugreifen:

Du sagst also, was du behauptet hast sei 'faktisch' und deshalb seien es 'Fakten'. In Wirklichkeit ist es 'fiktiv' und deshalb sind es 'Fikten'. Wenn du unbedingt ficken willst, fick dich einfach selbst!

Von Hotlinks bitte ich abzusehen. Ihr könnt es einfach kopieren. Danke!

Falls das Bild zu klein sein sollte: Bei Flickr gibt es das Bild bis zu DIN A5 mit 300 dpi, natürlich verlustfrei als PNG. Wer Postkarten, Aufkleber, Spuckis damit drucken möchte, bediene sich! Das ist der Sinn einer Lizenzierung unter CC0. Es ist nicht nur kostenlos, es ist Frei.

Schluss mit den Fikten! Sagt den Verbreitern der Fikten ein klares »fiktisch«!

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Ich bin Dunkelheit

Direktlink zum Album bei Bandcamp

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Mal ein bisschen DooM

Vor einigen Tagen habe ich an anderer Stelle mal angemerkt, dass meiner Meinung nach jeder Mensch versuchen sollte, ein DooM-Level zu gestalten. Die Engine ist viel einfacher als moderne Engines, vollständig dokumentiert und kann eigentlich von jedem Menschen mit durchschnittlichem technischem Interesse beherrscht werden.

Auf der Grundlage der beschränkten Möglichkeiten dieser über zwei Jahrzehnte alten Engine interessante Level zu bauen, ist eine Kunstform, die viel häufiger praktiziert werden sollte. Es gibt keine Möglichkeit, mit grafischen Effekten Atmosphäre zu schaffen, aber die Grafik ist völlig hinreichend. Auch MIDI-Musik reißt heute niemanden mehr vom Hocker. Die Beschränkungen trainieren darin, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Nun, ich will es mal so sagen: Ich veröffentliche hier eine frühe Beta-Version eines DooM-WADs mit zurzeit nur einem einzigen Level, von dem mir andere gesagt haben, dass er gar nicht so schlecht sei. (Meiner Meinung nach waren sie nur von der wohlgewählten Musik für diesen Level beeindruckt, so dass sie nicht bemerkt haben, wie bescheiden der Level in Wirklichkeit ist.) Ich persönlich finde diesen Level viel zu einfach, aber er ist auch als MAP01 konzipiert und hat von daher einen eher einführenden Charakter. Er ist übrigens auch nicht besonders groß.

Wer es einmal ausprobieren möchte, bediene sich: Download der Beta-Version des DooM-WADs »Not Phobos Again« (ZIP-Archiv, 387,7 KiB)

Hier als »Appetitanreger« nur ein Screenshot des letzten Raumes, gerendert von GZDoom:

Screenshot DooM-WAD: Not Phobos Again

Falls jemand davon Appetit bekommen hat, aber kein altes Original-DooM-WAD mehr herumliegen hat: Natürlich kann man »Not Phobos Again« auch mit dem freien, unter BSD-Lizenz lizenzierten Freedoom als IWAD spielen (dessen eigene Level aber teilweise nicht so dolle sind). Damit sieht zwar vieles ein bisschen anders aus…

Screenshot DooM-WAD: Not Phobos Again mit Freedoom

…aber das fällt niemals unangenehm auf (wenn man einmal von einigen Sprites absieht). Generell ist Freedoom ein bemerkenswert weit fortgeschrittenes Projekt, ein freies DooM zu schaffen, das Unmengen sehr guter WADs auf völlig freier Software spielbar macht. (Wer einmal ein wirklich schwieriges Spiel zocken möchte, kann sich zum Beispiel an Alien Vendetta auf »Ultra Violence« versuchen – ich bin dabei wohl tausend Tode gestorben!)

Ein gut geeigneter Sourceport zum Spielen ist das schon erwähnte GZDoom oder auch PrBoom Plus (Vorsicht, dieser Link geht leider zu Sourceforge). Leider funktioniert »Not Phobos Again« nicht mit jedem Sourceport und auch nicht mit dem alten Original-DooM, weil ich ein paar Features des Sourceports »Boom« nutze. Aber das Original-DooM ist ja auch eine MS/DOS-Anwendung, die auf einem modernen Betriebssystem wohl nur noch mit Mühe (oder mit einer DOSBox) zum Laufen gebracht werden kann. 😉

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In nicht allzuferner Zukunft in Deutschland…

Der Uniformierte mit den drei weißen Rauten auf der Schulter sagte immer wieder zu mir, als sei er ein Roboter: »Arbeiten sie mit uns zusammen, und sie werden ein freier Mann bleiben!«. Neben ihm stand ein Mann in Zivil, vermutlich ein Mitarbeiter des Ministeriums für Bevölkerungsinformation. Ausgewiesen hat er sich nicht. Hoffentlich muss ich mich mit denen nicht länger auseinandersetzen, die sollen nicht zimperlich sein.

Ja, sie haben mich gefunden. Nach all diesen Jahren. Haben. Sie. Mich. Schließlich. Gefunden. Und jetzt saß ich hier auf einem Stuhl, aus kurzem Schlaf gerissen, während der Keller durchsucht wurde und Dinge herausgetragen wurden.

Nein, ich habe nichts Illegales getan. Also nichts, was strafbewehrt ist. Ich habe in diesem Keller kein Cannabis angebaut oder Meth synthetisiert. Ich habe nur einen Verdacht erweckt. Die Geräte, die hier so lange standen, die nichts weiter als alte programmierbare Maschinen waren, sie waren nicht verboten. Sie erweckten nur einen Verdacht, und Sicherheit ist nun einmal über alle Grundrechte erhoben. Maschinen, die rechnen, Daten verarbeiten und mit anderen Maschinen kommunzieren können, sind ein Verdachtsgrund, wenn sich jemand so viel Mühe gibt wie ich, sie von den Fernsteuerungen der großen Konzerne und damit von der Überwachung durch das Ministerium für Bevölkerungsinformation freizuhalten; wenn sie mir dienen und nicht jemanden anders.

Wer darauf achtet, dass seine Freiheit respektiert wird, ist ein Sicherheitsrisiko.

Ich war immer noch nicht so richtig wach. Ich träumte vor mich hin, und der Traum wandelte meinen erlebten Albtraum in kindischem Narzissmus in das Erlebnis eines Freiheitskämpfers um. Freiheit ist längst zum Heldentum geworden, und der Versuch eines freien Lebens hat schon viele in die Sicherheitsgewährleistungsanstalten gebracht. Eine raue, sehr aggressiv wirkende Stimme zerriss das Gewebe meiner dummen Träume. Es war der Mann im Zivil. Scheiße! »Haben sie noch weitere Geräte«, fragte er mich. Oder besser: Forderte er mich auf, denn es war nur grammatikalisch eine Frage, in der Artikulation eher ein Befehl. Warum tragen die Uniformierten eigentlich Maschinenpistolen? Ich bin doch völlig friedlich. Ja. Ich bin. Am Boden zerstört.

»Nein«, sagte ich müde, schwach und ängstlich. Er war nicht zufrieden damit und hakte nach: »Sind sie sich ganz sicher?«. »Ja, ich bin mir sicher, ich weiß doch, was ich habe«, sagte ich mit etwas mehr Kraft. Er schaute beängstigend skeptisch, aber fragte nicht weiter. Hoffentlich nehmen die mich nicht mit aufs Amt. Inzwischen dürfen sie einen Gefährder für ein halbes Jahr festsetzen. Ohne Grund. Ohne Richter. Ohne Urteil. Nur auf Verdacht. Und ein Gefährder ist jeder, der Wert auf seine Privatsphäre legt. Die meisten Menschen können es inzwischen gar nicht mehr nachvollziehen, wieso jemand Wert auf seine Privatsphäre legen sollte. Man hat doch nichts zu verbergen. Die digitale Ausprägung des Konsumwahnsinns hat die Menschen längst zu Robotern gemacht, und niemand hat sich daran gestoßen, dass die Menschen dabei genau so einfach kalkulierbar und programmierbar wie Roboter geworden waren – ganz im Gegenteil, man freute sich über die künstliche Intelligenz, die die eigene Intelligenz und jede Anstrengung des Geistes entbehrlich macht. Dass jede Lebensäußerung, jedes Wort, jede Geste überwacht wird, stört niemanden mehr. Und wenn es mal stört, sagt man es lieber nicht, denn es wird ja alles überwacht. Man ist ja dabei gut unterhalten, die Raumtemperatur liegt im gesundheitlichen Idealbereich und der Kühlschrank bestellt jeden Tag leckeres und gesundes Essen. Die Krankenversicherung wird auch billiger. Gegen gefährliche Gefühle gibt es Medikamente im Essen. Und gegen gefährliche Gedanken die tägliche Versorgung mit Nachrichten des Ministeriums für Bevölkerungsinformation, die völlig frei von Hassrede und Fake News ist. Es herrscht Sicherheit, und ich bin ein Gefährder.

Während die letzten alten Geräte herausgetragen wurden, dachte ich an die vielen Menschen, bei denen ich mir unter konspirativen Umständen veraltete Hardware ohne eingebaute Überwachungsschnittstelle besorgt hatte. Ich dachte an die Keller dieser Menschen, die wie ein Informatikmuseum aussahen. Alles bewusst angeschafft und aus Schrott zusammengebastelt, weil wir daran glaubten, dass die Technik dafür da ist, uns Menschen zu dienen und nicht umgekehrt; weil wir uns Apparate nutzbar gemacht haben, um nicht zum Nutzvieh eines Apparates zu werden. Und wie gut sie mir gedient hatten, diese veralteten Geräte, wann immer ich in meinen Keller ging, um geistig aufzuatmen! Wie viele Stunden, Tage, Monate, Jahre ich hier schon im Rauschen der Lüfter und Licht der Monitore verbracht habe, getrennt von der Gesellschaft und doch in Gemeinschaft mit Menschen, deren Leben noch echt ist.

Wieder unterbrach diese Stimme die Flucht meiner Träume. »Isolierung?«, fragte der Mann im Zivil aggressiv in seinem gebieterischen Kasernenton. Mein »ja« war fast geflüstert; das leichte Nicken wohl wahrnehmbarer als das Wort. Es war sinnlos, zu leugnen, es würde mich nur für lange Zeit ins Gefängnis bringen. Konspirativer Widerstand gegen Ordnungsbehörden ist längst ins Strafgesetzbuch aufgenommen worden, und bis zu meinem Prozess hätte ich wegen der Sicherheit in Untersuchungshaft gesessen, so wie viele andere, deren Stimme plötzlich aus dem Netz verschwand und deren Sein zum Gerücht wurde. Der Mann im Zivil sprach mit dem Polizisten in der Kampfuniform mit den drei weißen Quadern auf den Schultern, dieser griff zu seinem kryptografischen Funkgerät und holte die bereitstehenden Spezialisten herein. Wo es der Sicherheit dient, ist Verschlüsselung ja sehr erwünscht. Fünf Techniker der Polizei kamen in den Keller. Sie schraubten geübt mit Akkuschraubern die leeren Regale von der Wand ab, und sie entfernten mit einem Spezialgerät die Tapete und die darunterliegende Alufolie gegen die verräterische elektromagnetische Abstrahlung, mit der ich meinen Keller vor den Funkpeilwagen des Ministeriums für Bevölkerungsinformation so lange verbergen konnte. Ich konnte es einfach nur geschehen lassen. Es war schon. Alles. Verloren.

Schließlich, nach einer halben Stunde, die mir endlos erschien, war es vorbei. Der Polizist sagte zum Abschied noch: »Sie bekommen demnächst eine Einladung von uns, Herr Schwerdtfeger«. Eine »Einladung«. So nennt man das also, wenn man sein Tun. Für Recht hält. Alle Geräte waren herausgetragen und für eine polizeiliche Untersuchung beschlagnahmt worden. Ich hatte keine Aussicht, sie jemals wieder zu besitzen. Auf dem Boden Regalbretter und abgeschraubte Schienen, in der Ecke ein leerer Schreibtisch und der Stuhl, auf dem ich saß. Sogar die Kugelschreiber wurden aus einem überhaupt nicht nachvollziehbaren Grund mitgenommen. Sie waren wohl sicherheitsgefährdend.

Das Rauschen der Lüfter, diese mechanische Stimme meiner sich verkriechenden Freiheit. War für immer. Verstummt.

Ich konnte nicht weinen. Ich saß mit geschlossenen Augen auf dem Stuhl und fühlte. Gar nichts mehr. Ein schnarrendes, regelmäßiges Geräusch erfüllte den kahlen Keller und machte mir Angst, und ich fragte mich immer wieder, wo es wohl herkomme. Es klang so fremd und feind. Ich brauchte Minuten, um herauszubekommen, was ich da hörte. Es war mein Atem.

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