Allen antworten 🖱️

Die Werber sprechen von »Digital Natives«, und ich spreche von den Kindern des Ewigen September.

Seit ungefähr fünfundzwanzig Jahren habe ich mir angewöhnt, in E-Mails mit mehreren, untereinander eher oberflächlich bekannten Empfängern sämtliche Empfänger als »BCC« statt als »CC« oder »To« einzutragen.

Warum?

Weil vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren jene Menschen in das Internet strömten und ihre barbarische »Kultur« hineintrugen, die nicht einmal bei ihrer E-Mail-Software den Unterschied zwischen »Antworten« und »Allen antworten« verstanden hatten. Dieser Unterschied ist ja von seiner direkten Wortbedeutung her nicht allzu schwierig zu verstehen, so habe ich mir zumindest immer gedacht. Es ist der Unterschied zwischen einer Antwort an den Absender und einer »Antwort« an alle sichtbaren Empfänger einer E-Mail; der Unterschied zwischen persönlicher Kommunikation und einer Kommunikation, die sich an eine Gruppe von Menschen richtet. Das sind übrigens beides ausgesprochen nützliche Funktionen, wenn man in einer Gruppe von Menschen kommuniziert. Aber die völlig hirnverdorrten Kinder des Ewigen September waren mit dieser einfachen Unterscheidung überfordert und haben grundsätzlich und immer ihre »Antwort an den Absender« zum gesamten Empfängerkreis der beantworteten E-Mail geschickt. Vermutlich, weil sie glaubten, dass »Allen antworten« nach viel mehr Gewicht klingt als ein einfaches »Antworten«. Selbst in kleineren Grüppchen mit zehn bis fünfzehn Leuten war schnell der Posteingang dermaßen voll mit irrelevantem Bullshit, persönlichen argumentativen Nebenschauplätzen, die in einer ganzen Gruppe geteilt wurden und mit stumm den Herrgotterbarm um einen warmen Gehirnregen anflehenden Denkmälern der dummen Barbarei, dass eine einigermaßen zielführende Kommunikation gar nicht mehr möglich war.

Von jenen damaligen Netzneubürgern, die dann auch noch dem ersten Barbaren antworteten, wie blöd es doch wäre, eine Antwort an den Absender an alle Empfänger zu richten und diesbehufs auf »Allen antworten« klickten, will ich gar nicht erst anfangen. Nur so viel dazu: Es waren nicht wenige. 🤦

$ sdate
Fr 9747. Sep 17:07:42 CEST 1993
$ _

Man könnte denken, dies sei am 9747. September 1993¹ alles schon lange vorbei. Und man möchte hoffen, dass es so sei. Inzwischen wachsen doch schon die Kinder mit dem Internet auf, alle haben Wischofone in der Tasche und irgendwelche Idioten, die noch nicht ein einziges Mal in ihrem Leben etwas anderes am Computer getan haben, als Programme anderer Leute mit einem Klick oder einem Fingertippen auszuführen, werden von den Werbern als »Digital Natives« betrachtet und umworben, weil man ihnen jede Menge »Gadgets« aufschwätzen kann.

Und, was machen diese »Eingeborenen des Internet«, wenn sie eine E-Mail mit mehreren Empfängern haben und dem Absender antworten wollen? Richtig: Sie klicken oder fingertippen auf »Allen antworten«. Wie ein bescheuerter AOL-Idiot aus den Neunziger Jahren, der auf einmal dieses Interdingsda hatte und sich darin aufführte wie ein Affe in der Universität – der natürlich mit ein paar hunderttausend Affenkumpels kam, damit er sich nicht so allein in dieser ganzen Zivilisation fühlt. 🐒

Das ist der Grund, warum ich bei E-Mail an mehrere Empfänger beinahe immer alle Empfänger in BCC setze und als einzigen für andere sichtbaren Empfänger mich selbst eintrage. Es ist übrigens der einzige Grund. Nein, es geht mir da um keine Geheimniskrämerei. Nein, ich bekämpfe damit keine Überwachung. Es ist einfach nur meine technische Reaktion auf einen kulturellen Missstand, den ich seit zweieinhalb fucking Jahrzehnten zu meinem Missvergnügen immer und immer wieder beoachten »darf«: Leute, die zu doof sind, die Software zu benutzen, die sie benutzen und die Folgen ihrer selbstverschuldeten Doofheit einfach immer wieder allen ihren Mitmenschen aufbürden.

Aber dass die schon ab Werk mit Trojanern aller Art verwanzten Scheißhändis der so genannten »Digital Natives« nicht die E-Mail-Adressen anderer Leute einsammeln und in irgendwelche Überwachungsdatenbanken aus den feuchten Träumen Erich Mielkes einfügen können, ist ein Nebeneffekt, der mir dabei ganz recht ist.

Warum ich das jetzt schreibe? Weil ich gelegentlich danach gefragt werde. Und natürlich auch, weil ich davon ausgehe, dass noch in dreißig Jahren Menschen verständnisvoll mit dem Kopf nicken werden, wenn sie diesen Text in irgendeinem Archiv finden. Wenn sich die Menschen in dreißig Jahren nicht längst mit ihrer beschleunigt voranschreiten Doofheit selbst ausgerottet haben… 🙁

Mir kommt die Zeit ja kurz vor, oft, als wäre alles erst gestern gewesen. Aber es ist inzwischen ein Vierteljahrhundert, ohne die Spur einer Besserung. Ganz im Gegenteil.

¹sdate gibt es bei df7cb.de frei und kostenlos.

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Während man auf der einen Seite am Rad dreht…

Den folgenden Text habe ich ursprünglich im Forum von Heise Online als Kommentar zum Artikel Versagen die alternativen Medien zu Zeiten von Corona verfasst. Da ich es immer wieder erlebt habe, dass solche Kommentare bei Heise Online einfach gelöscht werden, hier noch einmal eine dezentrale Sicherheitskopie gegen das Vergessen im Internet – einschließlich meines Grammatikfehlers:

Während man auf der einen Seite am Rad dreht…

…dreht man auf der anderen Seite ebenfalls am Rad und macht ausgesprochen merkwürdige (also würdig, dass man sie sich merkt) Einschränkungen der so genannten »Freiheitsrechte«, die weit jenseits jeder Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer Seuchenbekämpfung liegen.

Nachdem das BVerfG festgestellt hat, was eigentlich jeder schon mindestens geahnt haben sollte, nämlich, dass man ein Grundrecht nicht durch eine Allgemeinverfügung aufheben darf, sprechen die Verwaltungsgerichte Recht, dass sich beim Lesen die Fußnägel hochrollen.

Zum Beispiel gestern die zehnte Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover:

Die Corona-Verordnung enthalte zwar in § 2 durch die Beschränkung von Zusammenkünften von Personen faktisch ein Versammlungsverbot. Ein solch generelles Versammlungsverbot, das keine Ausnahmen zulasse, sei aber nicht mit der in Art. 8 GG gewährleisteten Versammlungsfreiheit vereinbar. Bei kleinen Versammlungen bestehe die Möglichkeit, den Gesundheitsschutz durch Beschränkungen der Versammlung zu gewährleisten. So habe die Stadt Hildesheim die Möglichkeit, das Tragen eines Mundschutzes anzuordnen, die Teilnehmerzahl zu begrenzen, Abstandsregelungen zu treffen, dem Versammlungsleiter die Erfassung von Namen und Anschrift der Teilnehmer aufzugeben und ggf. das Versammlungsgelände zu umzäunen

So übt man jetzt in der Bundesrepublik Deutschland – formerly known as »Der freie Westen« – sein friedliches Versammlungs- und Demonstrationsrecht aus: In ordnungspolizeilich willkürlich limitierbarer Anzahl, maskiert, mit staatlich zugreifbar hinterlegtem Namen und hinterlegter Anschrift und hinter Gittern.

Aber hey, atmet auf, Leute! Die Autohäuser haben wieder geöffnet!

Völlig unabhängig von Leuten, die »alternative Medien« als contentindustrielles Geschäftsmodell entdeckt und entwickelt haben und sicherlich mit nennenswertem Reibach jenen immer größer werdenden Teil der Bevölkerung bedienen, die den Bias des Agentur- und Parteienstaatsjournalismus nicht mehr ertragen können [sic!], halte ich es für existenziell wichtig, darauf zu achten, dass die gegenwärtigen Einschränkungen von Grund- und Menschenrechten zur Abwendung eines Massensterbens durch eine hochinfektiöse Seuche wieder aufgehoben werden, wenn der Anlass für ihre Einführung verschwunden ist. Und zwar gerade auf dem Hintergrund der jüngeren deutschen Geschichte.

Denn dass eine solche Rücknahme nicht mehr nötiger Rechtseinschränkungen für alle Menschen in der BRD auch nur ein einziges Mal geschehen wäre, habe ich im Verlauf meines lustigen Lebens in der BRD noch nicht ein einziges Mal erlebt. Und zwar begonnen mit der Raub- und Mordserie der Baader-Meinhof-Bande. Und immer wurde jemand, der für Grund- und Freiheitsrechte eintrat, politisch und staatsfromm-journalistisch als ein Terrorist, Verschwörungstheoretiker, Mörder, Kinderf*ckergehilfe, Nazifreund oder verantwortungsloser Befürworter eines Massensterbens abgestempelt – mal eher subtil, mal offen und verachtungsvoll.

Dabei ist insbesondere auf Neusprech zu achten, der in offenbar manipulativer Absicht über den journalistisch-politischen Komplex (meine wohlklingende Worthülse, noch undefiniert und daher inhaltsleer) vor alle Augen und Ohren gebracht wird. Mal wird die Sammlung von Überwachungsdaten als »Datenspende« bezeichnet, wobei ich ganz gern mal eine Datenspende der BRD sehen würde, etwa die Freigabe der für hundertzwanzig Jahre als Staatsgeheimnis weggeschlossenen NSU-Akten; mal wird ein gegen Infektion nahezu wirkungsloser Mund-Nasen-Wärmer als »Alltagsmaske« bezeichnet, nicht, damit wir ihn des Sonntags ablegen, sondern, damit wir so etwas als neuen »Alltag« begreifen. Und jeder, der öffentlich etwas dagegen sagt, verbreitet »Fake News«, als sei das nicht seit dem 24. Juni 1952 das als Pressefreiheit begriffene Geschäftsmodell der Bildzeitung, sondern eine Gefahr.

Disclaimer: Ich persönlich halte die Corona-Pandemie für gefährlich und habe nicht einmal etwas gegen eine Gefahrenabwehr, die sich hinterher als übertrieben herausstellen könnte. Aber der scheibchenweise Umbau der »marktkonformen Demokratie« (A. Merkel) in einen Wirtschaftsfaschismus ist die ältere und länger wirksame Gefahr. Corona wird hoffentlich in zwei, drei Jahren gegessen sein. Der Seeheimer Kreis und die Bertelsmann-Stiftung sind es nicht.

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Programmierung

Dieser Gesichtsausdruck war nicht mit Geld zu bezahlen, als mich jemand fragte, was denn mal das treffendste und beste Wort für eine »nicht-objektorientierte Programmierung« sei, wenn es sich auch nicht um eine »funktionale Programmierung« handele und ich einfach nur mit »Programmierung« antwortete. 😉

Und dieser dumme Glaube irgendwelcher Blender, dass alles gleich viel besser und wertvoller klinge, wenn man es nur ein bisschen aufbläht, indem man ein nichtssagendes Adjektiv vorwegstellt, dieser Nachhall der Reklame im Denken der Menschen, dieser Versuch der Menschen, die Methoden der Reklame in ihrem Alltag zu reproduzieren, ist immer wieder lächerlich. Ich finde ja, dass so auftretende Menschen eine ganz schlechte Reklame für sich selbst machen.

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Wischofone

Nachdem ich eben darauf angesprochen wurde, warum dieser Text in einer fast unsichtbaren Fußnote im Spamblog herumdümpelt, kopiere ich ihn auch gern noch einmal als eigenständigen Text hier hinein. Er wird vermutlich auch in fünf Jahren noch aktuell sein. 🙁

Wischofone: So nenne ich »Smartphones«. Denn diese Geräte sind nicht smart, und sie machen nicht smart, und sie zu benutzen, ist kein Zeichen, dass man irgendwie smart wäre, und zwar nicht einmal im fernliegendsten Sinne des Wortes. Es handelt sich um fabrikneuen Müll mit nicht austauschbaren Verschleißteilen, Technikverhinderung, Benutzergängelung, Waste Economy und um ein durch künstliche Produktalterung (keine Betriebssystem-Updates verteilen und Käufern die Gewährleistung entziehen, wenn sie selbst darüber bestimmen wollen, welche Software auf den von ihnen gekauften und mit Strom versorgten Computern ausgeführt wird) vorsätzlich geschaffenes Paradies für Verbrecher, zehnmal so schlimm wie Windows 95/98/ME. Und wer hinterher, nach dem Schaden, darüber klagt, dass er vorher nicht gewarnt wurde, ist ganz gewiss nicht »smart«, sondern ganz im Gegenteil. In diesem Sinne wünsche ich viel Spaß beim Bezahlen, bei der Fernkontoführung (Werbedeutsch: »Online-Banking«) und bei der Steuerung irgendwelcher Hausautomation mit diesen vorsätzlich dysfunktional gemachten Dummkonsumtools.

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Das Rad

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