Qualitätsjournalisten des Tages: Wie man so einen einfachen Link auf einen Fiepser im Zwitscherchen oder ins Fratzenbuch setzt, muss man den Leuten in den deutschsprachigen Web-Redaktionen der Scheiß-Journaille offenbar ganz genau erklären. Stellt euch nur mal vor, in anderen Berufen verstünden die Leute ihr täglich verwendetes Werkzeug nicht: Ein Maler, der nicht weiß, was ein Pinsel ist, wofür er da ist und wie man ihn benutzt…
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Nachtwächter
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Heute mal eine Frage an alle Programmierer mit einem bisschen Web-Erfahrung: Was kostet eigentlich eine im Internet verfügbare, von Lesern durchsuchbare Liste staatlich finanzierter Äpps in der Programmierung? Ratet mal!
Hmm. Eine SQL-Tabelle mit den Äpps. Wenn man es ganz gut macht, zu jeder Äpp noch eine Versionstabelle mit 1:n-Beziehung zur Äpp-Tabelle, ist aber vermutlich für diesen Zweck gar nicht nötig, weil ja niemand Interesse an veralteten Äpps haben wird. Aber gut, machen wir auch noch, weil es ist ja dummes Geld, also das Geld anderer Leute, das von Beamten ausgegeben wird – und denen kann man immer Archivfunktionen als etwas Wichtiges verkaufen, die wissen halt auch nicht, was ein Backup oder ein SQL-Dump ist. Dann brauchen wir ein Backend für die Datenpflege. Mit Anmeldemöglichkeit, also eine weitere Tabelle für Benutzer (mit einem Feld für die Berechtigungen). In einem Anfall vorbildlichen Designs gibt man den Äpps noch eine Kategorisierung mit Stammdaten aus einer weiteren Tabelle. Macht vier Tabellchen. Und ein Backend mit den Modulen Anmeldung, Abmeldung, Neueingabe, Suche, Neue Version anlegen, Äpp löschen. Stammdatenpflege. Eventuell müssen wir eine bestehende Liste von Äpps noch importieren, diese wird behördentypisch in Excel vorliegen, also werden wir die aus Excel als CSV exportieren und dieses CSV mit einem kleinen Perlskript in unsere Datenbank schaufeln. Schließlich brauchen wir noch ein ansprechendes Webfrontend für die Nutzer (gern auch mit einem bisschen AJAX, man ist ja modern) und eine Dokumentation, die geschrieben werden muss.
Hmm! Lassen wir den Webkram unseren langsamsten PHP-Developer in unverschämten dreißig Tagen schreiben (in Wirklichkeit machts der Praktikant oder Azubi, der ein paar Groschen dafür bekommt und sich das Geld für seinen Lebensunterhalt vom Jobcenter holt) und nehmen dafür hundert Euro pro Stunde, das macht 24.000 Euro. Das Design der Website macht unser Designexperte in zehn Tagen (in Wirklichkeit… ach, hatte ich schon), kommen noch mal 8.000 Euro drauf. Für die Analyse und das Datenbankdesign nehmen wir nochmal zehn unverschämte Tage zu 8.000 Euro, und schließlich noch ein Benutzerhandbuch für die Behördenmitarbeiter zu ebenfalls 8.000 Euro – dann haben wir dem Staat für eine an sich beinahe triviale Programmierung fast 50.000 Euro leichtverdientes Geld abgenommen. Gut, dass staatliches Geld so dumm ist, dass man dermaßen hohe Preise nehmen kann…
Das ist doch eine solide Rechnung, die ziemlich genau den üblichen Zuständen entspricht.
Nein, ist sie nicht! Die Entwicklung einer derartigen Anwendung durch Fraunhofer hat die Lächerlichkeit von rd. 260.000 Euro gekostet, und dazu kommen natürlich noch nicht weiter absehbare Folgekosten. Da sind eure Steuergelder bei der Arbeit!
Wie es bei Projekten aussieht, die ich nicht mehr einfach so in ein paar Minuten erfassen kann, kann ich mir jetzt immerhin vorstellen.
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Die Spezialexperten des Tages saßen im Élyséepalast und klickten im Fratzenbuch auf einen (natürlich getürkten) Link in ihr Intranet.
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Kann mir mal einer erzählen, woher einige Unternehmungen ihre Spezialexperten für den Aufbau eines Netzwerkes beziehen? Wieso zum hämisch hackenden Henker richtet denn auch jemand eine Portweiterleitung so ein, dass die ziemlich ungesicherten Webfrontends von Scannern, Druckern, Kopierern und so weiter übers Internet zugänglich sind? Das muss doch jemand mit Absicht gemacht haben.
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Brüller des Tages: Tja, sagte der Polizist, da ist ein Monitor, da ist eine Tastatur, aber der zugehörige PC ist nicht da…
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Ich wollte ja eigentlich nicht für jede Meldung aus dem Shitstorm, den sich Siegfried Kauder redlich verdient hat, einen eigenen Eintrag hier schreiben… aber der hier muss. Denn der werte Herr Vorsitzende des Rechtsausschusses, der zwar obskure Sonderregelungen des Urheberrechts fürs Internet nach dem Geschmack der Contentindustrie zum Gesetz machen will, aber das derzeitige Urheberrecht gar nicht inhaltlich kennt, der hat sich nochmal in einer Weise geäußert, die offenbarend für dieses fleischgewordene Stück Politikverdrossenheit und gefühlte Ochlokratie ist. Der hat nämlich nachträglich die Rechte gekauft (was übrigens nicht stimmt), weil er so gutmütig und mitfühlend ist. Sagt er.
Immer an dieses Rechtsverständnis nach Kauder – der übrigens Jurist ist – denken und in Zukunft so vorgehen: Filme aus der Piratenbucht besorgen und als attraktiven Inhalt in die eigene kleine Website reinbasteln, damit auch jemand vorbeikommt. Wenn man irgendwann einmal erwischt wird, einfach sagen, dass man die DVD gekauft hat und behaupten, dass man damit auch das Urheberrecht an diesem Film erworben hat. Anschließend sagen, dass man das aus völlig selbstlosen Motiven gemacht hat, einfach nur, um den Filmemacher aus der Schusslinie zu nehmen. Jemand, der so denkt, ist Vorsitzender des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages. Bäh! Satiren schreiben ist mit solchen Typen eine Sisyphosarbeit geworden, weil die Wirklichkeit jede Satire überflügelt.
Man möchte fast denken, der viel zitierte »rechtsfreie Raum« sei der Deutsche Bundestag.
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Bullshit des Tages: ALAAARMKNOPF für das Internet. Und, was soll passieren, wenn man da draufdrückt? Kommt dann die Feuerwehr über TCP/IP? Oder doch lieber die Bundespolizei durch einen SSL-Tunnel? Mann, Leute!
Aber so ein Knöpfchen wäre schon schön – schließlich werden die ganzen so genannten »Polittalkshows« ja live gestreamt. Da könnte man denn immer wieder mal draufdrücken, wenn so ein äußerst bürgerlicher Typ seine sozialdarwinistischen Ideen im quasistaatlichen Fernsehen der BRD darlegt. Vielleicht verschwindet der Dreck dieser Show-Gespräche dann wenigstens aus dem Internet, wo alle Inhalte ja nach Meinung der Polizei (und die muss es ja wissen) unendlich viel gefährlicher sind als irgendwo anders.
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Und nochmal die Bundespolizei. Wie speichert man dort, bei diesen ganz besonderen Sonderexperten, die Passwörter in der Datenbank? Na, ist doch klar, im Klartext natürlich.
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»Internet-Hacker haben in der Nacht auf Freitag die Webseite der SPÖ vollständig und jene der FPÖ vorübergehend lahm gelegt. Was im Falle der SPÖ […] zur Folge hatte, dass […] wegen starker Beschädigungen Neuprogrammierungen notwendig waren« – na, habt ihr bei der SPÖ vielleicht jemanden rumsitzen, der wenigstens noch so viel Kompetenz hat, dass er mal nachschlagen kann, was das Wort »Backup« bedeutet?
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Und das hier ist mein dritter Link, bevor ich wieder in das instabile, verregnete Wetter gehe und schaue, wie viel Regen ich auf meiner Körperoberfläche sammeln kann: Wie die deutscher Internet-Kinderpornosperre kam und zugrunde ging. [Im Moment ist die Seite ein bisschen abgeschossen, deshalb lieber erstmal den Guhgell-Käsch nehmen] Dieser Einblick in das Denken und die ganz besondere »Kompetenz« der Leute in der classe politique ist so schmerzhaft, dass mir gar nichts mehr einfällt…
Ich hoffe, dass dieser Text noch irgendwo verfügbar sein wird, wenn das ganze Land vor die Hunde gegangen ist – damit wenigstens Historiker einen Einblick in die Ursachen bekommen.
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Ach, und noch mehr Jugendschutz 2.0 für heute: »Wie das beispielsweise beim 140-Zeichen-Dienst Twitter funktionieren solle, ›ob jeder Tweet einzeln bewertet werden soll‹, darüber existiere auch noch keine Vorstellung« – existiert bei den Leuten, die hier einen rechtlichen Rahmen schaffen, der bei seiner Durchsetzung jede nur denkbare Willkür ermöglicht, überhaupt eine Vorstellung von dem, was sie tun? Mir wäre irgendwie wohler zumute, wenn so ein Volkszertreter einfach mal die Hand unten lässt oder gar eine Gegenstimme abgibt, wenn er gar nicht versteht, was er mit seiner Geste in geltendes Recht umsetzt.