Wie hübsch sich im Moment doch viele Bloggende überschätzen, weil Frhr. von und zu Guttenberg zurückgetreten ist, wie sehr sie sich dafür feiern, dass dieser Minister »vom Internet zurückgetreten wurde«. Nein, er wurde mitnichten vom Internet zurückgetreten, und wenn das alles gewesen wäre, hätte er darüber hinweggeschaut. Viel maßgeblicher waren die wochenlang anhaltende Aufmerksamkeit der etablierten Medien, die teils klaren Stellungnahmen der Wissenschaftsverbände, wie groß der Schaden für den Ruf akademischer Titel aus der BRD ist, die deutlichen Worte seines »Doktorvaters« Prof. Dr. Häberle und die zu erwartende großen Probleme beim »Politikverkauf« der nächsten Wahlen, der zur Schwierigkeit führt, wie sich ein betrügerisch erworbener Doktortitel und auch die anderen kleine Anpassungen der persönlichen Wahrheit mit dem meist eher ungeausgesprochenen Wertekanon einer bürgerlich-konservativen Partei vereinen lassen. Es wäre schon sehr peinlich geworden, mit einem derartigen Gesellen im Kabinett weiterhin von einer »Bildungsrepublik« zu sprechen und allerlei ethische Werte einzufordern. Es wurde dennoch über Wochen versucht, den Frhrn. zu halten und ihm den Rücken zu stärken, vermutlich in der Hoffnung, die mediale Aufmerksamkeit könne auch wieder abflauen und die »kleine Affäre« im Strom des Aktuelleren vergessen werden. Die Blogs mit ihrem teils heiteren Hang zur ätzenden Ironie, der Protest im Internet und ein Wiki, das nicht gekennzeichnete, als Guttenbergs eigene Gedanken ausgegebene Zitate dokumentierte, spielten dabei kaum eine Rolle und hatten eine eher beschränkte Reichweite.
Und bitte, wenn ihr mir das nicht glaubt, denkt doch nochmal nach: Es sind auch schon lange vor dem Internet, ja, vor dem Computer als Alltagsgegenstand Politiker über ihre Affären gestürzt, und das zuweilen deutlich dramatischer – erinnert sich noch jemand an Gestalten wie Engholm, Barschel, Möllemann, Seiters, Scharping? Bloggende da draußen, kriegt euch wieder ein! Unser aller Bedeutung in solchem Geschehen ist ziemlich klein (aber nicht null), und wer das nicht sieht, neigt schnell zum Realitätsverlust, Größenwahn und den lächerlichen Haltungen, die sich dann daraus ergeben. Die in den Parteien ablaufenden Prozesse, die letztlich zur Bildung einer Regierung führen, lassen sich nicht durch Shitstorms im Wasserglas und irgendwelche jecken und schnell wieder vergessenen Flashmobs beeinflussen.
Nachtrag: Siehe auch bei Bullshit Aside