Auch die heutige Nacht kommt mit einer besonderen Portion Bullshit daher, die ich gern etwas breiter würdigen möchte. Darauf aufmerksam geworden bin ich, als ich beim Überfliegen meiner Feeds mal wieder einen besonders tollen Spammer fand. Und daraufhin schaute ich mir seine ganz tolle Website an [hier bewusst nicht verlinkt, weil sie zu illegalen Tätigkeiten aufruft, von denen ich mich ganz ausdrücklich distanziere – aber wer auf eigene Gefahr will, der nehme »weh weh weh punkt schnell strich geld strich jetzt punkt net« und trage selbst die Konsequenzen seines Handelns], die ein gnadenloser Dummenfang ist. Hier stelle ich nur den gröbsten Dummfug richtig.
[Weil ich es für möglich halte, dass dieses Musterbeispiel des Dummenfangs bald verschwindet, gibt es hier zu reinen Archiv- und Dokumentationszwecken auch einen lokalen Mirror der Website, damit dieser Zeuge der kriminellen Zeitgeschichte auch der Nachwelt erhalten bleibt. Nur zu meiner eigenen Absicherung: Das dort angepriesenene Glücksspiel ist in der BRD illegal, ich rate jedem davon ab, auch nur darüber nachzudenken und das Urheberrecht an Inhalt und Design verbleibt natürlich unbeschadet von dieser unveränderten Archivierung beim Rechteinhaber.]
Da hat also jemand eine »risikofreie Methode«, die jeden Tag zwischen 400 und 600 Euro einbringen soll. Einfach so. Und er ist so nett drauf, diese Methode im Netz zu veröffentlichen. Wo man sich die Kniste abholen kann? Na, in Online-Casinos natürlich, wo denn sonst.
Da fragt man sich doch gleich, wie so eine Methode wohl funktioniert. Nun, das verschweigt er nicht: Es handelt sich um eine Algorithmus-Analyse, mit der er jeden Tag die Algorithmen von 60 Online-Casinos testet. Klingt ja toll, und natürlich kann er das auch, hat ja schließlich mal ein Diplom in Mathe gemacht. Auf diesem Hintergrund hat er denn eine Schwäche in den Zufallsgeneratoren gefunden, genauer gesagt in RNS-Generatoren. Klingt ja voll krass, aber wer programmiert und noch englisch liest, der weiß, dass RNs eine gängige Abkürzung für »Random Numbers«, also für Zufallszahlen ist. Dass da einfach das abschließende »S« großgeschrieben wird, dient nur dazu, hier den Eindruck eines speziellen Verfahrens zu vermitteln, das gecrackt wurde. Das ist schon einmal hart an der Grenze zur Täuschung bei so einem Diplom-Mathematiker. Und dass er fernerhin behauptet, dass er WELTWEIT der Einzige sei, der die Technik besitzt, Generatoren zu testen… na ja, jeder Informatik-Student lernt die statistschen Verfahren, die man auf Pseudozufallsgeneratoren loslässt.
Ist also schon einmal ein guter Brüller. Der Laie ist beeindruckt, und der Fachkundige schlägt sich bei fast jedem Wort laut klatschend an den Kopf.
Das lauteste Klatschen ist bei mir zu hören gewesen, als ich die folgende Textpassage durch die müden Augen in das schmerzende Hirn holte: »[…] ein Wechsel des Generators ist problematisch, da diese 5 Mio. US-Dollar kosten und eine Entwicklungszeit von bis zu 6 Jahren haben«. Nun, da kann ich jeden beruhigen, der ein Casino im Netz aufmachen will, denn ein für solche Zwecke recht gut geeigneter RNG (random number generator) ist in der Form des Mersenne-Twisters frei und kostenlos verfügbar. (In den meisten Standardbibliotheken höherer Programmiersprachen hat dieser RNG auch schon die früher üblichen Kongruenzgeneratoren abgelöst.) Natürlich würde man für eine solche Anwendung noch eine Hashfunktion auf die generierten Zufallszahlen loslassen, aber wenn der relativ große Status von 623 Speicherwörtern adäquat initialisiert wird, ist jeder Versuch, aus den gehashten Zufallszahlen noch eine Struktur zu ermitteln etwa so erfolgversprechend, wie Affen auf Schreibmaschinen trommeln zu lassen, um eine Bibel zu erhalten. Die fünf Millionen Dollar kann man sich also getrost sparen, und die ganze leidige Denk- und Entwicklungsarbeit haben schon so ein paar theoretische Informatiker geleistet…
Was empfiehlt nun unser Köder für die Leichtgläubigen da draußen, damit sie beim Zocken auch »garantiert« gewinnen? Ganz einfach. Er empfiehlt nach dem ganzen wissenschaftsförmigen Bullshit, dass man einfach auf Farbe setzt und im Verlustfall so lange seinen Einsatz verdoppelt, bis man am Ende dieser Folge von Einsätzen seinen ursprünglichen Einsatz gewinnt. So holt man natürlich mit recht großer Wahrscheinlichkeit viele kleine Gewinne, das können auch schon mal ein paar hundert Euro werden. Aber wenn man verliert, denn blutet man natürlich richtig. Oder nochmal als richtiges Zitat: »Drehen Sie das Rad ohne zu setzen bis Rot oder Schwarz 5 mal hintereinander erschienen sind. Dann setzen Sie 1 Euro auf die andere Farbe und verdoppeln den Einsatz im Verlustfall. So werden Sie immer gewinnen!« – zumindest, bis entweder das Limit erreicht oder das Spielgeld ausgegangen ist. Ein gnadenlos dummes System, das hier ganz offen empfohlen wird.
Tja, und wovon lebt der jetzt, wenn er auf die garantierten paar hundert Euros am Tag so gern verzichtet? Ganz einfach. Er lebt davon, dass er sagt, dass dieses nichtsnutzige System nur mit bestimmten Casinos funktioniert – und bietet unten auch gleich ein paar Links auf diese Casinos an, er macht also Werbung für in der BRD illegale Glücksspiele. Und damit auch wirklich jeder auf dieses tolle Angebot scheinbar geschenkten Geldes aufmerksam wird, fliegt jede Menge Spam in Mailpostfächer und ganz viele Foren und ähnliche Orte, auf dass der Rubel rolle. Er rollt den Glaubenden aus der Tasche und diesem Diplom-Mathematiker in die Tasche – wer weiß: vielleicht sogar mit Gewinnbeteiligung. Manche werden vielleicht sogar noch diesem scheinbaren Wohltäter von ihren paar Gewinnen was spenden, bevor der große Crash der persönlichen Finanzen kommt, denn dazu fordern die Spammails auf. Wer jetzt von den ganzen neuen Armen geglaubt hat, er könne fortan auf Hartz IV verzichten und einfach zu Geld kommen, der wird schnell eine böse Überraschung erleben.
Was ich mit solchen Leuten gern tun würde, muss ich wegen der strafrechtlichen Relevanz solcher Äußerungen leider verschweigen. Aber eins kann sich wohl jeder merken: Ein Angebot in einer Spam ist immer kriminell.
Uwe am 16.5.2009 um 17:10
Traurig ist ja auch, dass dieser Abschaum immer wieder aus dem Boden schießt, ja schießen kann weil man ja lieber mit der Kriminalisierung des halben Internets oder besser des ganzen Internets beschäftigt ist. Bis dahin sahnen diese Leute ab, werden vielleicht nicht mal geschnappt und schwups, geht es von vorne los.
Aber so schöne Maßnahmen wie Lad Vampire werden ja auf ewiglich eingestellt, weil sowas ja ganz doll kriminell ist. Irgendwie.. läuft da in meinen Augen was falsch und ich vermisse den Lad Vampire irgendwie, das war ein wunderbarer Anblick, wenn da so eine dieser typischen »sich durch 23233 100%ig kostenlos und viel Geld abstauben«-Seiten nicht mehr erreichbar gewesen ist oder der ganze Account gekündigt wurde.
Für so viele ist da draußen Google das Internet aber wenn mal nur ein Bruchteil mehr »das Internet« zu diesen E-Mails befragen würde, dann wären so einige Seiten schon längst ausgetrocknet..
Reich werden durch Spam bei Unser täglich Spam am 28.7.2009 um 02:24
[…] hat aber einer einen ganz langen „Kommentar“ zu einem meiner Texte geschrieben, und der ist auch noch durch Akismet durchgekommen. Er sei hier in seiner ganzen […]