Blah-Archiv » lebensverachtend http://localhost/blah-dev Kurz und knapp und blah... Thu, 01 Aug 2013 18:58:27 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.6 Eine kleine Geschichte http://localhost/blah-dev/2008/08/20/eine-kleine-geschichte/ http://localhost/blah-dev/2008/08/20/eine-kleine-geschichte/#comments Wed, 20 Aug 2008 16:48:24 +0000 cassiel http://localhost/blah-dev/2008/08/20/eine-kleine-geschichte/ Eine kleine Geschichte
von friedenstaube

Manchmal erinnere ich mich an meine Kindheit. Im Alter von etwa vier
Jahren wurde ich zum ersten Mal mit der Grausamkeit der so genannten
»Erwachsenen« konfrontiert, als ich miterleben musste, wie sie jene
Wesen, die ich liebte, gnadenlos töteten, um sie danach aufzuessen.
Dies geschah auf dem kleinen Bauernhof meiner Großmutter
mütterlicherseits, die ich auch liebte, jedoch nicht verstand und
deshalb auch fürchtete (offenbar war dies alles so »normal« für sie,
dass sie nie auf die Idee kam, ein kleines Kind von solcherlei
Geschehen fern zu halten).

Wie entsetzlich unheimlich war mir damals zumute, wenn die »Großen«,
die doch immer alles richtig machten, vom »Abstechen« redeten! Wie
graute mir, wenn ich gelegentlich einen meiner geliebten Freunde kurz
nach seiner Hinrichtung mit abgehacktem Kopf umherlaufen sah; ein
gerade noch von tröstlich-warm pulsierendem Leben erfülltes Häslein
leblos, seines lieben Köpfchens beraubt, grässlich nass-rot-tropfend
zum Ausbluten aufgehängt erblicken musste; wie war mir unendlich
einsam und hilflos elend zumute, wenn ich meine lieben, klugen rosa
Freunde in ihrer Panik gellend schreien hörte, wenn wieder einmal
einer von ihnen weggeführt wurde. (Heute nennt mensch dies übrigens
»artgerechte Schlachtung«; Anm. d. Verf.)

All das nahm ich mit namenlosem Entsetzen und unartikuliertem,
stillen Grauen wahr. Die Erwachsenen, die ich liebte, machten mir
Angst in ihrer kalten Bestimmtheit, und ich wusste, dass sie, was sie
jenen taten, mir taten, denn sie quälten meine geliebten Freunde und
nahmen sie mir weg, und ich wusste auch, dass ich nie so werden
wollte wie jene, die ich stets nur ängstlich lieben konnte (übrigens
verweigerte ich es schon als Kind, Fleisch zu essen. Wie konnte ich
jene auffressen, die ich liebte? – Im Übrigen möchte ich auch nicht
jene auffressen müssen, die ich nicht liebe.).

Dies ist bis heute so geblieben. Das so genannte »Erwachsensein«, wie
es fast alle von mir wahrgenommenen und beobachteten Menschen leben,
erschien mir stets als ein seltsamer Zustand kalter,
lebensverachtender Ignoranz, den nachzuahmen ich den Ehrgeiz niemals
hatte …

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