Boah, das ehemalige Nachrichtenmagazin erfreut uns mal wieder mit einem tollen Artikel, der den Bullshit unter einer dünnen Schicht Wisschenschaft vergraben hat. »Sex behindert, zumindest was die Evolution betrifft, tatsächlich das Sozialverhalten« – das gilt zumindest dann (und im Artikel nur dann), wenn die Weibchen hübsch viele Partnerwechsel haben, die Männchen können natürlich wild durchs Geflügel vögeln. Alles so richtig »schön« biologisierend begründet. Und nachdem man so richtig hübsch ins Biologisieren eingeschossen ist, darf man zum Abschluss den folgenden Durchhalte-Einpeitschersatz lesen: »So könnte der Mensch etwa von der Blattschneiderameise noch eine Menge lernen. Zumindest, wenn es um Selbstlosigkeit geht. Tag für Tag arbeiten die Insekten unentwegt für ihren Staat, schleppen Blätter zum Bau, zerkauen sie und ernähren mit dem Brei ihre Nahrungsgrundlage, einen Pilz – eine perfekte Symbiose« – mann, das geht doch runter wie Urlaubs- und Gehaltsverzicht! Allerdings mag die Ameise aus einem hier nicht so richtig erwähnten biologischen Grund gar nicht recht zum Menschen passen, der sich gefälligst solche Vorbilder nehmen soll. Denn die Ameisen, die so »selbstlos« agieren, sie kennen gar keine Individuuen, sie tragen allesamt eine identische Erbinformation, so dass ihre »Selbstlosigkeit« auch unter diesem Aspekt folgerichtig ist. Aber das passt eben nicht in die notdürftig als Wissenschaft verkleidete Propaganda des ehemaligen Nachrichtenmagazines, und deshalb findet es auch kaum die gebührende Erwähnung (stattdessen wird die irreführend-menschelnde Metapher von den »Schwestern« verwendet), aber dafür umso stärker die »Sexabstinenz«, die das alles ermöglichen soll.
Vielleicht habe ich ja gerade meinen dystopischen Düstertag und merke gar nicht, was für eine Graubrille auf meinen Nüstern sitzt, aber was da zwischen den Zeilen als erstrebenswertes Ziel des menschlichen Miteinanders beim Autor durchsickert, das sieht nach einem fordistischen Fabrikkloster voller gentechnisch optimierter Zweckmenschen aus, frei von Individualität, frei von der größten menschlichen Lustquelle, einzig für ihre Nahrungsgrundlage, den etwas so genannten Lohn abgebenden »Arbeitgeber«, daseiend. Natürlich gerade so für die Ernährung hinreichend. Unterm Hakenkreuz hätte mich so eine Presse nur wenig überrascht, aber im ehemaligen Nachrichtenmagazin…
Nee, ich habe jetzt meinen Spiegel-Bedarf für diesen Monat gedeckt.
papa san am 21.8.2010 um 11:56
das mit dem »ehemaligen nachrichtenmagazin« war ein spruch, den mathias bröckers nach 2001, als er selber aufhörte journalist zu sein und faktenrecherche durch unbewiesene thesen ersetzte, bis zum erbrechen in jedem vortrag wiederkäute. so, als ob ein richtig mieser witz besser würde, wenn man ihn nur oft genug wiederholt. m. bröckers ist inzwischen nur noch verschörungstheoretiker, der weitgehend nicht mehr ernst genommen wird.
dabei ist der spruch vom »ehemaligen nachrichtenmagazin« nur eine billige polemik aus der untersten schublade. ebenso wie »verräterpartei« für die spd und »schwarze pest« für die cdu. nun ist es ein gewisser fefe, der diese drei sprüche über das erbrechen hinaus wiederkäut.abwertung anderer um sich selber zu erhöhen. das muss er dann anscheinend nötig haben.
bei fefe frage ich mich immer, ob es noch um etwas anderes geht, als sich selber zu hypen, in irgendein internet-lexikon zu kommen und seinem t-shirt-laden kunden zuzuführen. ich glaube, der typ will einfach nur in eine reihe mit marc andreessen, andy müller maguhn und ossi urchs – koste es was es wolle. und das wäre zuallererst die wahrheit.
ich persönlich lese auch schon mindestens 12 jahre keine papierzeitungen mehr, habe aber auch keinen rss-feeder. wichtige nachrichten pflegen einen sowieso durch ihre drei meter grossen headlines über die strasse hinweg anzubrüllen, schwer möglich, sich dem zu entziehen. das einzige papiererzeugnis mit newswert, das ich habe, ist seit um die 20 jahre die ct, die bei mir auf dem klo ausliegt. für die tagesnews überfliege ich ein paar infoblogs und je nach zeit und anlass ungefähr ein halbes bis ein dutzend onlinezeitungen, darunter auch den wirtschaftsteil von spon. das dauert alles in allem 10 minuten und ich bin informiert.
und zwar weil eben in den allermeisten fällen da profis dran sitzen, die sauberen journalismus betreiben.
was ich hingegen kaum brauche, ist fefes blog. zu oft ist es nicht sauber recherchiert, zu viel unnützes rauschen, zu oft wird eine verschörungstheorie dran gepappt und beinahe immer soll das geschreibsel ersichtlich dafür gut sein, fefe selber als etwas ganz besonderes feiern. – für mich ist dieser fettsack das ganz und gar nicht. aber das muss jeder selber wissen.
Nachtwächter am 21.8.2010 um 12:24
Die Anmerkung zum »ehemaligen Nachrichtenmagazin« ist sowas von richtig, dass ich sie mir hinter die Ohren schreiben werde und Besserung gelobe (mindestens, indem ich mir eine originellere Polemik ausdenke) – denn mit »Schwarze Pest« und »Verräterpartei« gehe ich auch eher sparsam um.