Der Orwell des Tages geht an Honeywell…
Nachtrag:: Da ist ja auch der verdiente Boo.
Und noch eine ordentliche Portion Orwellness und 1984now: In den digitalen Fernsehempfängern sind versteckte Kameras und Mikrofone eingebaut, damit sich Orwells Entwurf der totalen Überwachung auch richtig erfülle. So ziemlich die schrägste Sache, die ich heute gelesen habe, und so richtig glauben kann ich das gar nicht – aber für unmöglich halte ich es auch nicht mehr.
Guhgell des Tages für den kleinen Nachwuchs-Schäuble: Endlich kann man den Aufenthaltsort seiner Freunde tracken, wenn die so ein Guhgell-Handy benutzen. Das haben wir uns doch alle schon immer so gewünscht, oder? Und natürlich hat der große Bruder Guhgell alle diese Daten schön in seiner Datenbank und wird damit schon etwas anzufangen wissen.
Muss ja sein mit der Internet-Überwachung. Und der Ziercke ziert sich gar nicht, wenn es um Begründungen geht. Der redet nicht nur von den Kinderpornos (die vom Strafmaß her auf der Ebene einer Sachbeschädigung stehen), nein, er hat auch ein neues »Argument« für seine Forderung nach polizeilicher Allgewalt gefunden: Man kann ja damit auch Phishing, Spionage und DOS-Attacken bekämpfen. Ganz großes Kino, aber ganz großes! Beinahe alle Phishing-Mails, die ich jemals bekommen habe, wurden auf russischen Rechnern getippt. (Das sieht man an der Codepage, die für die Mail verwendet wurde.) Sie stammen also nicht aus der BRD. Da fragt es sich doch, wie man das mit einer BRD-weiten Stasi 2.0 bekämpfen will. Und bei der Wirtschaftsspionage hätte ich ganz herzlich gelacht, wenn mir nicht sofort klar geworden wäre, dass die Millionärs- und Staatsmedien der BRD diesen Strunz nachher und morgen völlig unreflektiert abdrucken werden, auf das es von den vielen Menschen rezipiert werde, die wegen ihres mangelnden technischen Verständnisses die Lüge darin gar nicht erkennen können. Typische Angstpropaganda. Einfach nur noch übel.
Die SPD-Strategie, als Mit-Regierungspartei mal ein bisschen Opposition zu simulieren und das BKA-Gesetz scheinbar aufzuhalten, ist ja gut angekommen. Da kann man jetzt ja fröhlich weitermachen mit der Ermächtigung eines neuen Quasi-Geheimdienstes gegen die Menschen in Deutschland. Schließlich geht das alles nur gegen blutsaufende Terroristen, von denen wir Zehntausende haben müssen.
Vergesst den Bundestrojaner, denn jetzt soll der Eurotrojaner kommen. Unbedingt auch den galligen Kommentar bei Fefe lesen!
Die Bildzeitung geht in die nächste Stufe ihrer »Leser-Reporter« und reichert das widerwärtige Verfahren noch um ein bisschen Orwellness an, oder wie soll dieses Angebot in Kooperation mit Lidl verstanden werden: »Wenn man das Gerät an einen Computer anschließt, öffnet sich automatisch ein Programm mit dem die Filme zum Online-Portal von BILD geschickt werden können« – eben noch spannerhaft abgefilmt, jetzt schon in der Bildzeitung, dem Fachblatt für Spannertum und Menschenverachtung.
Mein Kotzreiz des Tages ist ein Buch, das ich zum Glück nicht in die Hand bekam: So googeln Sie Schuldner, Nachbarn, Bewerber und ihr nächstes Date – und das alles natürlich selbst völlig unentdeckt.
Während hier die Stasi 2.0 aus den feuchten Träumen des Innenmisters und seiner Schergen immer weiter verzögert wird, zeigen die Polen uns schon mal, wie die Stasi 3.0 aussehen könnte. Sogar der Aberglaube der Graphologie wird dazu bemüht. Aber die dürfen das mit dem Aberglauben, die sind ja so katholisch.
Der Brüller des Tages: Bombe vor dem Landtag, die ganzen Überwachungskameras halten ihren zwingenden Blick auf die Situation und – nichts passiert. Nichts! Vollkommen sinnfreie Kameraüberwachung! Einfach nur ein allgegenwärtiges und mechanisches Auge, das mit zwingendem Blick Wohlverhalten bei den Menschen erzeugen soll, und nichts ist dahinter. Ein großartiges Stück Aktionskunst! Da weiß ich auch endlich, warum ich fröhlich vorm Justizministerium meine Fotos schießen kann, was ja auch so ein Verhalten ist, das ein paranoider Sicherheitsapparat locker als Vorbereitung eines terroristischen Anschlages deuteln könnte. Es hat einfach niemanden interessiert. Wahrscheinlich wird es alles brav auf Magnetband aufgezeichnet und für die halbe Ewigkeit archiviert, aber ist darin ein reiner Selbstzweck – die eigentliche Absicht hinter den Kameras ist nicht irgendeine Prävention, sondern eben der zwingende Blick des »großen Bruders«. Die BR Deutschland im Jahre 23 nach Orwell.
Oh nein, das richtige Bild des Tages ist ein ganz anderes. Und was für eins. Es zeigt eine Überwachungskamera in einem bayerischen Wahllokal. [via]